Das Sechseläuten (Zürichdeutsch Sächsilüüte)

Am Wochenende vom Freitag, den 14. April 2023 findet in Zürich das alljährliche Sächsilüüte statt. Der Höhepunkt ist jeweils der Sechseläuten-Montag, wenn Schlag sechs (18:00 Uhr) der auf dem 10 Meter hohen Holzstoss, Böögg angezündet wird und den Winter vertreiben soll.

Je schneller der mit Knallkörpern gefüllte Schneemann den Kopf verliert, desto schöner soll anschließend der Sommer werden.

Foto: Shutterstock/Dimitry Chulov

Das Sechseläuten Programm:

Freitag, 14.04.2023

Der Gastkanton

 

Seit 1991 – aus Anlass der 700-Jahrfeier der Schweizerischen Eidgenossenschaft, lädt das Zentralkomitee der Zünfte Zürichs einen Kanton als Gast ans Sechseläuten nach Zürich ein. Er präsentiert sich bis am Sechseläuten-Montag auf dem Lindenhof mit einer Ausstellung, einem bunten Unterhaltungsprogramm und kulinarischen Spezialitäten.

Dieses Jahr wird der Kanton Schwyz, nach 2003 zum zweiten Mal Gast am Sechseläuten sein und am Sonntag mit einer starken Delegation am Kinderumzug teilnehmen. Am Montagnachmittag wird der Gastkanton dann am Sechseläuten-Umzug mit verschiedenen Formationen mitmarschieren.

 

Samstag, 17.04.2023

Am Samstag findet ein Fest für alle auf dem Lindenhof statt, bevor am Abend die Zünfter in weiblicher Begleitung die verschiedenen Bälle besuchen.

An diesen Bällen können ausschliesslich Mitglieder der Gesellschaft zur Constaffel und der Zünfte mit teilnehmen.

 

Sonntag, 16.04.2023

Der Kinderumzug

Foto: Shutterstock/YueStock

Am Sonntag vor dem eigentlichen Sechseläuten findet der Kinderumzug statt. Am Umzug dürfen alle Kinder zwischen 5 und 15 Jahren im Kostüm oder Tracht teilnehmen, ganz egal, ob mit oder ohne Bezug zum Sechseläuten und zu den Zürcher Zünften.

 

Sechseläuten-Montag, 17.04.2023

Der Böögg

Foto: Shutterstock/Dimitry Chulov

Der Ursprung des Wortes ist ungewiss. Gemäss Definition des schweizerischen Idiotikons: „Der Böögg ist eine im Deutschschweizer Brauchtum verbreitet bekannte vermummte Person, die sich an der Fastnacht und ähnlichen Anlässen bettelnd, die Jugend erschreckend und allerlei andern Unfug verübend auf den Strassen herumtreibt.“

·      In Zürich etwa, sieht der «Böögg» einem Schneemann ähnlich und ist ein Symbol für den Winter. Mit der Verbrennung des «Böögg» soll der Winter vertrieben und der Frühling willkommen geheissen werden.

·      Der Holzstoss auf dem der Böögg steht, ist 10 Meter hoch und besteht aus etwa 4500 Bürdeli (Zürcher Bezeichnung für zusammengebundenes Holz) und aus einem Durchmesser von 7 Meter aufweist. Das Holz stammt von Zürcher Alleebäumen.

·      Der Böögg selbst ist 3,40 Meter gross, wiegt stattliche 80 Kilogramm, hat einen Körperumfang von 2,8 Metern, eine Armlänge von 1,90 Meter und einen Kopfumfang von 1,8 Metern.

·      In seinem Körper sind 100 Kilogramm Schweizerkracher, Kanonenkracher und Donnerschläge versteckt und machen ihn hochexplosiv.

·      1956 lag die kürzeste Brennzeit unter 4 Minuten (bis der Kopf explodierte). Am längsten dauerte es 2016 als der Schneemann nach qualvollen 43:34 Minuten erlöst wurde.


https://www.srf.ch/play/tv/redirect/detail/ee71858d-d989-40b1-93cc-53a87eed6f93 

 

Die Zürcher Zünfte

Auf dem Organigramm des Verbandes der Zürcher Zünfte sind in der obersten Reihe die Wappen der „alten Zünfte“ abgebildet.

Mit den Eingemeindungen von 1893 und 1934 entstanden die „Quartierzünfte“, Wappen in der zweiten Reihe.

Erste Reihe von links nach rechts die alte Zünfte:

Gesellschaft zur Constaffel, Zunft zur / Saffran /  Meisen / Schmieden / Weggen / Gerwe und Schuhmachern / Widder / Zimmerleuten / Schneidern / Schiffleuten / Kämbel / Waag

Zweite Reihe von links nach rechts die Quartierzünfte:

Stadtzunft Zürich / Riesbach / Drei Königen / Fluntern /  Hottingen / Wiedikon / Wollishofen / Hard / Oberstrass / St.Niklaus / Höngg / Letzi / Schwamendingen / Witikon

 

Wie die heutigen Zünfte entstanden

Die «brunnsche Zunftverfassung» (1336) benannt nach dem ersten Bürgermeister und Ritter Zürichs, Rudolf Brun, hatte seine Gültigkeit bis 1798, als Napoleon die Helvetische Republik gründete. Die Herrschaft und Macht der Zünfte (Handwerker-Vereinigungen) nahmen nach so langer Zeit ein jähes Ende.

Foto: Shutterstock/Agnieszka Skalska

In einem zweiten Blog beschreibe ich die historischen Zusammenhänge und Fakten in der Zeit von 1336 bis 1798 ausführlicher.

Ruth Righetti beschreibt es in ihrem Buch («Die andere Sicht auf das Zürcher Sechseläuten» so:

«Die alte Eidgenossenschaft brach 1798 unter den französischen Heeren zusammen. Nach dem Verlust der Macht und der politischen Bedeutung während der französischen Revolution rekonstituierten sich die Zünfte aus der aristokratischen und neuen bürgerlichen Elite. Sie gelangen nochmals an die Macht, ehe sie die demokratische Gemeindeordnung von 1866 endgültig abtreten liess. Das bedeutete die definitive Zäsur für die politische Funktion der Zünfte und den Anfang ihres rein gesellschaftlichen Wirkens. Während dieser Zeit, als der öffentliche, den Männern vorbehaltene Raum an Bedeutung gewann, gerieten die Frauen, von Staat und Politik künstlich ausgeschlossen und in den Privat- und Familienbereich verwiesen, immer mehr ins gesellschaftliche Abseits. Im 19. Jahrhundert kam es vorwiegend in den bürgerlichen Gesellschaftsschichten zu einem gravierenden Machtgefälle zwischen den beiden Geschlechtern. Für viele Institutionen und Vereine, die damals als reine Männerbünde gegründet wurden, spielten spielten diese von Männern dominierten Geschlechterverhältnisse eine entscheidende Rolle.»

 

Die Quartierzünfte

Mit den Eingemeindungen von elf Gemeinden (1893) vergrösserte sich Zürich auf einen Schlag, von 28‘000 auf 121‘000 Einwohnern und wurde somit zur ersten Grossstadt der Schweiz. 1934 fand die zweite Eingemeindung statt.

Die Gründer der Quartierzünfte wollten sich einerseits zur Stadt bekennen, anderseits die Erinnerung an die ehemaligen Gemeinden wachhalten.

«Diese Quartierzünfte wurden ohne Berufstradition vollkommen neu gegründet, ihr Image wurde weitgehend neu erschaffen. Die dahinterliegende Absicht war, das Zunftwesen auf die neuen Stadtteile auszuweiten, um dem Sechseläuten im neuen Gross-Zürich die Zukunft zu sichern.» So Ruth Righetti.

Gesellschaft zur Constaffel


Um 1820 bildete sich ein lockerer, festreudiger und trinkfester Mitgliederkreis, der sich um 1841 zur Zunftgesellschaft mit Statuten formierte. Daraus entwickelte sich dann die bis heute bestehende Gesellschaft zur Constaffel, die in ihrer neuen Rechtsform als Verein 1899 konstitiuert wurde.

Im Gegensatz zu den Zünftern, hat die Gesellschaft keine Handwerker in ihren Reihen, sondern Geistliche, Ärzte und Apotheker, Juristen, höhere Lehrer, Privatgelehrte und Literaten, Architekten, Ingenieure, höhere Beamte, Rentiers, Kaufleute und Industrielle.

 

Gesellschaft zu Fraumünster und der lange Kampf der Anerkennung

1989 wurde die Gesellschaft zu Fraumünster mit der Zielsetzung gegründet, die Traditionen der 1524 aufgehobenen Abtei der Öffentlichkeit nahezubringen und das Andenken an die Äbtissinnen und an weitere historische Frauen-Persönlichkeiten von Zürich zu pflegen.

Foto: Shutterstock/Peter Stein

Sie betrachtet sich als Vertreterin der Frauen, als «historische» Ergänzung zu den Zünften, wo allein Männer Mitglied sein können. Ausserdem setzt sich für die adäquate Wahrung der Rolle der Frau in der Geschichte der Stadt Zürich ein, organisiert kulturelle Anlässe und nimmt Ehrungen vor. Analog zur Gesellschaft zur Constaffel bezeichnet sie sich nicht als Zunft.

In den ersten Jahren durften sie nicht mit den Zünften am offiziellen Umzug mitmarschieren. Von einem Zelt am Strassenrand aus, verfolgten sie den Umzug der Männer. Gut dokumentiert in diesem Clip vom Schweizer Fernsehen von 1998

www.srf.ch/play/tv/redirect/detail/

2014: Die Gesellschaft zu Fraumünster darf in den nächsten acht Jahren am Zürcher Sechseläuten mitlaufen. Als ständiger Gast der Gesellschaft zu Constaffel wird sie also fester Bestandteil des Umzugs.

Dieses Gast-Recht wurde bereits 2016 bis 2030 verlängert und soll anschliessend jeweils stillschweigend ausgedehnt werden.

2023: Bei der Zunft zur Meisen kommt es zu einem Paradigmenwechsel.

Sie ist die erste Zunft, die wieder Frauen aufnimmt. Bertha von May war bis 1924 die letzte Zünfterin der größten Zürcher Zunft. Bereits am Sechseläuten-Montag werden kostümierte Frauen mitlaufen! Ein historischer Tag!

Bei der Quartierzunft Höngg waren über 50% der (männlichen) Zünfter für eine Aufnahme der Frauen. Doch scheiterte der Antrag an der zweidrittel Mehrheit.

Es scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis alle Frauen gleichberechtigt als vollwertige Zünfterinnen kostümiert mitlaufen dürfen!

Besondere Jahre

·      1921 zündete ein Junge – angeblich von Kommunisten angestiftet – den «Böögg» bereits um 13.30 Uhr an.

  • 1944 fand das Sechseläuten im Hafen Enge statt, da auf der Sechseläutenwiese Gemüse angepflanzt wurde. Dabei kippte der «Böögg» in den Zürichsee.

  • 1950, 1960, 1993 sowie 1994 kippte der «Böögg» vom Holzstapel, bevor sein Kopf explodiert war 👇🏻

https://www.srf.ch/play/tv/redirect/detail/96b4de16-d8c3-4bea-bb1f-87d7dfd42c7a

  • 2006 wurde der «Böögg» von der Gruppierung «1. Mai – Strasse frei» entwendet, tauchte an der 1. Mai-Feier auf dem Helvetiaplatz wieder auf und wurde schlussendlich, nach erneutem Verschwinden, im Keller eines Schulhauses wieder gefunden. Das Sechseläuten konnte trotzdem abgehalten werden: Ein Ersatz-«Böögg» musste seinen Kopf hinhalten.

  • 2020 und 2021 musste das Sechseläuten in Zürich aufgrund der Coronavirus-Pandemie abgesagt werden.

  • Der „Corona-Böögg“ wurde auf der Teufelsbrücke im Kanton Uri verbrannt 👇🏻

 

Quellen: Gesellschaft zur Constaffel / NZZ / Ruth Righetti: Die andere Sicht auf das Sechseläuten/Gesellschaft zu Fraumünster /  sechseläuten.ch / Wikipedia / Schweizerisches Idiotikon / zuerich.com

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Die Zürcher Zünfte von 1336 bis 1798

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