MFO- Maschinenfabrik Oerlikon
Was hat ein Krokodil in Zürich zu suchen?!
Täglich fahren abertausende von Reisenden mit dem Zug am ehemaligen Verwaltungsgebäude der MFO (Maschinenfabrik Oerlikon) vorbei - vorbei an einem der wichtigsten Industriestandorte der Schweiz, ohne zu wissen, was dort produziert wurde und welchen Stellenwert die MFO unter anderem für die Entwicklung der Stadt Zürich hatte. Eine Firma mit Weltruhm!Schon bereits nach der Firmengründung (1876) war die MFO führend in der Elektrotechnik und installierte das Beleuchtungsnetz der Stadt Zürich. 1897 baute die Firma eine eigene Tramlinie Zürich-Oerlikon-Seebach. 1931 geht die Strecke an die Stadt über. Heute ist vom ehemaligen Industriestandort nicht mehr viel übergeblieben und es entwickelte sich zu einem neue Wohnquartier.
Am 30. Juli 2010 wurde das Gebäude wegen dem Ausbau des Bahnhofs Zürich-Oerlikon (Durchmesserlinie) verschoben.
Werkzeug- und Maschinenfabrik Oerlikon (Oerlikon-Bührle) - Firmengeschichte
Die 1876 gegründete Maschinenfabrik Oerlikon (MFO) war ein schweizerisches Unternehmen, gegründet von Peter Emil Huber-Werdmüller.
Charles E. L. Brown und Walter Boveri arbeiteten bei der MFO als Chefelektriker und später als Leiter der Montageabteilung, bis sie 1891 die Brown, Boverie & Cie (BBC) in Baden gründeten.
Die Werkzeug- und Maschinenfabrik stellte vor allem Werkzeuge, Maschinen, Turbinen sowie den elektrischen Teil von Lokomotiven her.
1906 wurde die schweizerische Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon (SWO) gegründet, eine Abspaltung der MFO. 1923 übernahm die Magdeburger Werkzeugmaschinenfabrik die SWO und bewahrte sie so vor einem Konkurs. Ein Jahr später wurde der Deutsche Emil Georg Bührle als Geschäftsführer eingesetzt. Im gleichen Jahr kaufte das Unternehmen auf Bührles Anraten die insolvente Maschinenfabrik Seebach hinzu und erlangte damit die Patente für eine 20-Millimeter-Kanone. Von nun an wurden neben Werkzeugmaschinen auch Waffen produziert.
Es entstand ein bedeutender Rüstungskonzern (später Oerlikon-Bührle Holding AG). 1937 erhielt Emil Georg Bührle die schweizerische Staatsbürgerschaft.
1967 wurde die MFO von Brown, Boveri & Cie (BBC), die später in die ABB (Asea Brown Boveri) aufging, übernommen. Die schwedische Firma ABB (Energie- und Automatisierungstechnikkonzern) hat ihren Sitz bis heute in Zürich Oerlikon.
1999 fokussierte der Konzern Oerlikon-Bührle auf ausgewählte Technologiesektoren und veräusserte den Rüstungsbereich Oerlikon Contraves Defence an die deutsche Rheinmetall DeTec - heute Rheinmetall Air Defence AG.
Das Wasserkraftwerk Lauffen am Neckar
Auf diesem Foto ist das Wasserkraftwerk Lauffen am Neckar zu sehen, das eigens für die Elektrizitätsausstellung von 1896 installiert wurde. Die MFO präsentierte die erste Hochspannungsleitung über eine Distanz von 175 Kilometern.
Das Kraftwerk Lüen wurde in den Jahren 1912-1914 erbaut. Mit dem Bau der Chur-Arosa Bahn erhöhte sich der Strombedarf und um ihn abzudecken, benötigte man ein eigenes Kraftwerk.
Hier ein Einblick in das Kraftwerk Lüen
Krokodil-Lokomotive (Ce 6/8 II) kehrt nach Hause zurück.
Und nun kommen wir zum Herzstück dieses Blogs, der Ce 6/8 II (später Be 6/8 II), auch liebevoll einfach nur „Krokodil“, „s’Kroki“ genannt. Als leidenschaftlicher Eisenbahner möchte ich euch die Geschichte dieser legendären Lokomotive und der MFO näherbringen!!
Einführung
Die Maschinenfabrik Oerlikon betrieb unter anderem auch eine Eisenbahnteststrecke von Seebach über Regensdorf-Watt nach Wettingen. Die Versuchsstrecke wurde in den Jahren 1905 bis 1909 betrieben und erbrachte den Nachweis, dass der Bau einer Oberleitung und von Stromabnehmern, die den Betrieb mit Oberleitungsspannungen von 15 000 Volt erlauben, möglich ist.
Es wurden erstmals Bahnmotoren direkt mit Einphasenwechselstrom betrieben. Die Fahrleitung wurde mit 15‘000 Volt bei 15 Hertz betrieben. Mit diesem System, jedoch mit einer Frequenz von 16⅔ statt 15 Hertz, wurden später die Bahnen in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Norwegen und Schweden elektrifiziert.
Die Gotthard-Lokomotiven
Am 16. Februar 1916 beschlossen die SBB die Gotthardstrecke von Erstfeld nach Bellinzona zu elektrifizieren (Fertigstellung 1920), da es grosse Probleme bei der Kohlenbeschaffung während des Ersten Weltkrieges gab. Man drängte auf eine rasche Verwirklichung dieser Pläne.
Da elektrische Triebfahrzeuge bedeutend leistungsfähiger sind als thermische (Dampfloks), erwartete man gerade auf der Gotthardstrecke, mit ihren langen und steilen Rampen, eine Erhöhung der Reisegeschwindigkeit.
Beide Fotos mit freundlicher Genehmigung von Erich Gillard (Facebook). Auf dem Foto links die Dampflok C 5/6 „Elefant“ am Gotthard, ebenso die Ce 6/8 II im Aufstieg.
Filmportrait der NZZ vom „Elefant“
Gebaut wurden die Krokodile zwischen 1919 und 1922 durch die SLM (Schweizerische Lokomotive- und Maschinenfabrik) Winterthur. Insgesamt wurden 46 Stück des Typs Ce 6/8 II (später Be 6//8) für den Einsatz von schweren Güterzügen an der Gotthardstrecke gebaut. In Oerlikon (MFO) wurden dann die elektrischen Komponenten installiert.
Warum gibt es das Krokodil eigentlich in zwei Farben?
Zu Beginn waren die meisten elektrischen Lokomotiven in Braun gestrichen, weil die Verschmutzung nicht sonderlich auffiel. Die SBB (Schweizerischen Bundesbahnen) entschieden sich, ihre Lokomotiven in grün streichen zu lassen, damit man erkennen konnte, dass es sich um eine SBB-Lok handelte. Die BLS (Bern-Lötschberg-Simplon Bahn) behielt hingegen die braune Farbgebung.
Anforderungsprofil der SBB an die Industrie (Auszug):
· Die Lokomotiven müssen die Strecke Goldau und Chiasso innerhalb 28 Stunden mit einer jeweiligen Standzeit von 15 Minuten in den Endbahnhöfen mit einer Anhängelast von 860 t zweimal zurücklegen können. Auf einer Steigung grösser als 10 0/00 darf mit Schiebelokomotiven nachgeschoben werden.
· Auf der Stecke Bellinzona-Chiasso muss eine Anhängelast von 625 t alleine (Einfachtraktion) gezogen werden können. Die elektrischen Teile dürfen, während jedem Einsatz und über die ganze Dauer der Werte der einschlägigen Bestimmungen der amerikanischen Normen nicht überschreiten.
· Auf einer Steilstrecke (Rampe) von 26 0/00 müssen bei 35 Km/h 430 t und bei 50 Km/h 300 t Anhängelast durch eine Lokomotive befördert werden können. Bei 10 0/00 Steigung, müssen bei 65 Km/h 300 t Anhängelast befördert werden können.
· Die Lokomotiven müssen auf 26-0/00-Steigungen, während 15 Minuten 20 Prozent Mehrleistung erbringen können. Die Anfahrleistung muss so ausgelegt sein, dass ein Zug von 430 t/300 t in höchstens vier Minuten auf eine Geschwindigkeit von 35 Km/h bzw. 50 Km/h gebracht werden kann.
· Eine Rekuperationsbremse (Rückgewinnung von Energie) muss vorhanden sein.
Technische Daten
· Baujahre 1919-1922
· Umbau ab 1941
· Ausmusterung 1968-1986
· 6 angetriebene und 2 Laufachsen
· Länge über Puffer 19‘400 – 19‘460 mm
· Dienstmasse 128/126 t
· Reibungsmasse 103/104
· Höchstgeschwindigkeit 65/75 km/h
· Stundenleistung 1'650 kW (2'240 PS) bei 36 km/h / 2'700 kW (3'640 PS) bei 45 km/h
· Dauerleistung 1'000 kW (1'340 PS) bei 40 km/h / 1'810 kW (2'440 PS) bei 46,5 km/h
· Treibraddurchmesser 1‘350 mm
· Laufraddurchmesser 950 mm
Das heutige Wohnquartier auf dem Gebiet der MFO
Auf dem 55 Hektar grossen, ehemaligen Gebiet der MFO beim Bahnhof Zürich-Oerlikon, entstand ein neues Quartier. Offizielle Bezeichnung „Neu-Oerlikon“.
Es entstanden Wohnungen, Arbeitsplätze, Einkaufsmöglichkeiten und kulturelle Angebote. Geprägt wird der neue Stadtteil durch fünf Parks: den Oerliker Park, den MFO-Park, den Louis-Häfliger-Park, den Wahlenpark und den Gustav-Ammann-Park.
Bedeutende Industriedenkmäler, die Halle 550 und das Gebäude 87T des MFO-Parks wurden unter Schutz gestellt. Auch das Krokodil fand den Weg von Erstfeld (wo es vor sich hin rostete) wieder zurück ihre alte Heimat. Sie wurde revidiert, ist aber nicht mehr fahrtauglich.
„Die Stadt Zürich hat erkannt, dass es sich lohnt, einen Teil der MFO-Gebäude als Zeugnisse der Industrialisierung zu erhalten. Mit dem Krokodil und der Ausstellung kann die Erinnerung und das Erbe der MFO präsentierte gehalten werden. Und somit erhalten die Bewohner des Quartiers auch ein Symbol für die Geschichte dieses Ortes, der eben nicht auf der grünen Wiese aus dem Boden gestampft wurde. Jede „Heimat“ braucht ihre Geschichte!“ – Verein OERLIKON Industriegeschichten. Besser kann man es nicht umschreiben und lasse es als Schlusswort so stehen! Eine Entdeckungstour durch Neu-Oerlikon kann ich nur wärmstens empfehlen!
Quellen: Wikipedia Arosaenergie MFO ABB Gotthardbahn.ch Verein OERLIKON Industriegeschichten Stadt Zürich